bücher.macherunterwegs in der deutschen verlagslandschaft












bücher.macher - Extra





Round Table mit
Dr. Wolfgang Herles
Michael Krüger
Barbara Sichtermann
Dr. Hubert Winkels

Moderation: Denis Scheck

Donnerstag, 21. März 2002 / 14.00 Uhr, Neue Messe / Congress Centrum Leipzig / Mehrzweckfläche West A

Eine Veranstaltung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels / Büro Leipzig in Zusammenarbeit mit der Leipziger Messe


Vorhang zu, Fragen offen...

Fernsehen und Literatur verhalten sich zueinander wie Fisch und Fahrrad.
Jochen Hörrisch, NZZ

Man kann der Sendung viel vorwerfen. Der Hauptvorwurf ist, das Quartett sei oberflächlich. Darauf kann ich nur sagen: Es ist nicht oberflächlich, es ist sehr oberflächlich, unerhört oberflächlich.
Marcel Reich-Ranicki im Interview mit der F.A.Z.

Es wird gewiss eine Zeit nach dem Literarischen Quartett geben, aber sie wird ärmer sein.
Michael Krüger, DIE ZEIT


Pressestimmen



Ist es nur ein weiteres dummes Zugeständnis an die Tendenz zum Populismus, wenn eine Bücherpreisverleihung mit Schlagermusik und Fernsehbalett garniert wird? Oder macht eine solche Sendung großartig Werbung fürs Buch? Wie passen Literatur und Fernsehen zusammen? Ist das Unglück dieser Ehe strukturell programmiert? Müsste nicht im Gegenteil sehr viel mehr für Literatur im Fernsehen getan werden als bisher? Die erregte Podiumsdiskussion gestern auf der Leipziger Messe hätte jedem „Literarischen Quartett“ zur Ehre gereicht.
Karin Großmann, Sächsische Zeitung, 22. 3. 2002

Auf der Podiumsdiskussion „Bücherflimmern“ über das Verhältnis von Literatur und Fernsehen gestand der Verleger Michael Krüger, er habe das Zimmer verlassen müssen, als er die Übertragung des Münchner Konkurrenzunternehmens zum Bücherpreis, des Corine-Preises, gesehen hatte, so sehr habe er sich geniert. Kenner bemerkten jetzt, verglichen mit Corine sei der Bücherpreis leidlich anständig über die Bühne gegangen.
Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung, 23./24. 3. 2002

Es gibt Diskussionsrunden, die sind keine, weil die Streitenden aneinander vorbeireden oder alle das Gleiche erzählen. Nicht so das von Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, moderierte Quartett.
Holger Heimann, Börsenblatt, 28. 3. 2002

Wo die Literatur aus der Abgeschiedenheit ihrer natürlichen Rezeptionsbedingungen heraustritt, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erzeugen, hat sie ein Darstellungsproblem... In der Podiumsdiskussion „Bücherflimmern - Literatur im Fernsehen“ wurden deshalb die Möglichkeiten, im Fernsehen über Literatur zu berichten, eher skeptisch eingeschätzt. Wie Fisch und Fahrrad passten die beiden zusammen, zitierte Denis Scheck den Literaturwissenschaftler Jochen Hörrisch. Gleichwohl steht Leipzig - und das kann man als strukturell unwahrscheinliches Glück gar nicht genug würdigen - dafür, dass es der Stadt und ihrer Messe von Jahr zu Jahr mit größerem Erfolg gelingt, zwischen Lektüreeinsamkeit und Massenevent eine Form zu finden, in der Bücher eine mittlere Öffentlichkeit zu mobilisieren verstehen, ohne sich dabei selbst zu verleugnen.
Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung, 25. 3. 2002

„Bücherflimmern - Literatur im Fernsehen“ hieß eine Podiumsdiskussion, die passenderweise ebenfalls von Denis Scheck geleitet wurde und in der Experten wie der Hanser-Verleger Michael Krüger, der „Aspekte“-Chef Wolfgang Herles, die Fernsehkritikerin Barbara Sichtermann und Schecks Kollege beim Deutschlandfunk, der Kritiker Hubert Winkels, sich über die Frage, ob das eine mit dem anderen überhaupt vermittelbar sei, ziemlich in die Haare gerieten. Krüger forderte die tägliche Buchvorstellung nach der Tagesschau, Sichtermann stellte fest, dass Literatur im Fernsehen sich den Gesetzen des Mediums anzupassen habe, und nannte als Beispiele für gelingende Assimilation die Darstellungstalente Marcel Reich-Ranicki und Benjamin von Stuckrad-Barre, während Winkels - „ich will ja keinen Kulturpessimismus verbreiten“ - der Literatur jede Möglichkeit absprach, im Bildermedium Fernsehen überhaupt zur Geltung zu kommen; etwas anderes als „Dauerwerbesendungen“ zum Zweck des Buchmarketings sei eigentlich unmöglich.
Die Praxis zur nachmittäglich formulierten Theorie war gleich darauf abends zu besichtigen. Da wurde erstmals der Deutsche Bücherpreis verliehen, in einer vom MDR organisierten und sicherheitshalber aufgezeichneten Fernsehgala.
Julia Schröder, Stuttgarter Zeitung, 25. 3. 2002




Als wahrhaft kriminell erwies sich der Versuch, Literatur und Fernsehen miteinander zu vermählen. Zur Einstimmung (oder war es als Vorwarnung gedacht?) auf die am Donnerstagabend stattfindende Fernsehgala zur erstmaligen Verleihung des Deutschen Bücherpreises fand zuvor eine Podiumsdiskussion unter dem Motto „Bücherflimmern“ statt, auf der sich die Fraktionen für und wider die telegene Aufbereitung der Literatur verbal duellierten. Der Schriftsteller und Verleger Michael Krüger bekannte, er schaue nicht viel fern - doch nicht zuletzt deshalb, weil dort zu wenig Buchbesprechungen geboten würden: Wenn Literatur Bedeutung habe, dann müsse darüber im fernsehen geredet werden. Hubert Winkels, Moderator der SWF-Bestenliste, schoss zurück, Literatur im Fernsehen könne ersatzlos entfallen, denn das Unglück bei dieser Ehe sei programmiert. Um Schlichtung bemühte sich die Fernsehkritikerin Barbara Sichtermann: Benjamin von Stuckrad-Barres Sendung „Lesezirkel“ auf MTV habe ihr gut gefallen, obwohl es Klamauk sei. Literatur am Fernsehen, so Sichtermann, sei „eine Begegnung der dritten Art“.
Susanne Ostwald, Neue Zürcher Zeitung, 23. 3. 2002

Anhaltspunkte für die umgehende Ratlosigkeit in Sachen Buch und TV gab in Leipzig eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Bücherflimmern“. Man duellierte sich anderthalb Stunden lang, prompt brachen die alten Gräben auf. Mit einigem Ekel vor dem „Schimpansenmedium“ befand der Hanser-Verlag-Chef Michael Krüger: „Wenn Literatur eine Bedeutung hat, dann kann man auch im Fernsehen darüber reden. Wenn nicht, ist es eh wurscht.“ Hubert Winkels vom Deutschlandfunk war der Meinung, dass sich kameragerechte Werbung für Bücher und Autoren durchaus machen lasse. Bloß: „Mit Literatur hat das nichts zu tun.“ Das Fernsehen sei nun einmal nicht in der Lage, das Produktionsgeheimnis des Schreibens zu berühren. Barbara Sichtermann von der „Zeit“ vermittelte zwischen den beiden mit der Ansicht, das Fernsehen könne sich immerhin „parasitär“ der Literatur annehmen. Schriftsteller sollten jedoch vor allem Bücher schreiben und nicht in der Glotze herumspazieren. Der auf dem Stuhl neben Krüger sichtlich missvergnügte Wolfgang Herles vom ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ pochte derweil auf Quotenrealismus. Unter einer Million Zuschauer beginne auf dem Sendeplatz von „Aspekte“ nun mal die „Todeszone“. Die Antwort des Verlegers Michael Krüger: „Da kann ich nur lachen.“ Indes: Ob die Bücher unbedingt laufen lernen müssen, und wenn ja, wie, das kann der Buchmesse Leipzig inzwischen vermutlich relativ egal sein. Denn sie ist längst schon das Medienereignis, das sich Verlage wünschen.
Ralph Gambihler, Hannoversche Allgemeine, 25. 3. 2002

Hanser-Verleger Michael Krüger, selbst erklärter „Fernsehabstinenzler“, hält Autoren grundsätzlich für weitaus „wichtiger als drei Viertel der Personen, die in der ‚Tagesschau‘ auftreten“. Daraus schöpft er seinen Optimismus, dass sich die Bedeutung von Literatur auch im Medium Fernsehen darstellen läßt. „Wir reden uns ein, dass Fernsehen immer nur Triviales abbilden kann. Das ist defensiv und blöd, es hat genügend experimentelles Potenzial“ so Krüger anläßlich einer Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse.
Daniel Lenz, Buchreport Magazin, Mai 2002

Ermutigend: am Tisch ein trauriges Gesicht. Das lacht. Michael Krüger, Chef des Hanser Verlages München und Lyriker. Einer, der abends liest, statt zu verfolgen, wie die ewig gleichen Nichtssager von Beckmann zu Kerner, von Biolek zu Kachelmann wandern... Krüger beharrt „als Steuerzahler“ auf die offensive „Experimentalfunktion“ des Fernsehen, träumt den Traum der Vergangenheiten: als noch lange, geistig anspruchsvolle TV-Gespräche möglich waren... Nur weil die Welt von Mist zusammengehalten werde, müsse doch das Fernsehen nicht vorwiegend Mist bringen. „Da stirbt Gadamer, jeder tut auf jedem Sender so, als habe er ihn gelesen - warum setzt sich nicht jemand vor die Kamera und erzählt und erklärt? Wenn man den Philosophen denn tatsächlich für so bedeutend hält, wie die Nachrufe vorgeben.“ Der Moderator vom Deutschlandfunk: „Sie tun so, als sei es möglich, eine andere Welt zu fordern!“ Krüger: „Das ist doch, bitte schön, das Mindeste!“
Als ein Zuhörer rät, doch auch mal Gedichte im Teletext zu Veröffentlichen, fragt der Gedichteschreiber Krüger seinen Podiumsnachbarn Herles, was denn das sei, Teletext. Schön. Am Schluss der Veranstaltung verlässt er den Saal auffallend schnell. Ein junger Mann eilt Krüger nach, und es ist zu hören, wie er sich, einfach so, für dessen Gedichte bedankt. Leser sind Menschen, deren Wünsche und Hoffnungen noch nicht erfüllt, aber auch noch nicht vernichtet sind. Sie wollen mitgenommen sein an den Ort, da Erfahrung und Erwartung sich die Waage halten.
Hans-Dieter Schütt, Neues Deutschland, 25. 3. 2002



Die Diskussionsteilnehmer


Copyright: Susanne Hesping/ZDF

Dr. Wolfgang Herles, geboren 1950, hat vor Jahren mit Klaus Bresser die politische Talkshow "Was nun..." entwickelt und moderiert, später als ZDF-Studioleiter die Sendung "Bonn direkt". Als Kulturjournalist war der promovierte Literaturwissenschaftler bereits mit seiner Sendung "Schrifttypen" (3sat) aufgefallen. Seit 1. 1. 2000 leitet Herles das ZDF-Kulturmagazin "Aspekte". Er hat einige politische Sachbücher und zwei Romane veröffentlicht, zuletzt erschien der Wirtschaftskrimi "Fusion" (1999).





Copyright: Barbara Schindler


Michael Krüger, geboren 1943 in Wittgensdorf, Kreis Zeitz. Lebt als Verleger, Autor und Kritiker in München. Seit 1968 Lektor im Carl Hanser Verlag, seit 1986 dessen Verleger. Seit 1981 gibt Krüger die Literaturzeitschrift "Akzente" heraus.




Barbara Sichtermann, geboren 1943 in Erfurt, arbeitet als Fernsehkritikerin für die Wochenzeitung "Die Zeit". Sie studierte Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre und ist seit 1978 als selbständige Publizistin und Schriftstellerin tätig. Letzte Buch-veröffentlichungen: "Fernsehen" (Wagenbach 1994), "Vicky Victory" (Roman, HoCa 1995), Fremde in der Nacht" (Roman, List 2000), "Paare" (Gerstenberg, 2000), "Lebenskunst in Berlin" (Gerstenberg, 2002)




Copyright: SWR

Dr. Hubert Winkels, geboren 1955, lebt mit seiner Familie in Düsseldorf. Seit 1997 Literatur- Redakteur beim Deutschlandfunk in Köln. 1993 gab Winkels seinen Einstand als Fernsehmoderator des Magazins "0173" beim Privatsender Premiere. Beim Südwestfunk moderierte er von 1996 bis 1998 die Literatursendung »Dichterclub« und beim SWR seit Oktober 1998 "Die Bestenliste". Letzte Veröffentlichungen: "Leselust und Bildermacht. Über Literatur, Fernsehen und neue Medien" (KiWi 1997); Mitherausgeber des Periodikums "Jahresüberblick Deutsche Literatur" bei Reclam.


Der Moderator:


Denis Scheck, geboren 1964 in Stuttgart, ist Literaturredakteur beim Kölner Deutschlandfunk. Nach dem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft und Zeitgeschichte in Tübingen, Düsseldorf und Dallas hat er als literarischer Agent, Übersetzer, Lektor und freier Kritiker gearbeitet. Das Spektrum der Bücher, die er ins Deutsche gebracht hat, reicht von Kriminalromanen der britischen Schriftstellerin Ruth Rendell über Romane und Erzählungen von Michael Chabon ("Die Geheimnisse von Pittsburgh") bis hin zu Prosa von Robert Stone. Für seine Arbeiten zur amerikanischen Gegenwartsliteratur ("Hell´s Kitchen") und sein Lexikon über Trivialmythen made in USA ("King Kong, Spock & Drella") wurde er mit dem Kritikerpreis des deutschen Anglistentags ausgezeichnet. Im Frühjahr 2001 stellte er mit den Erzählungen von David Foster Wallace ("Kleines Mädchen mit komischen Haaren") einen hierzulande noch wenig bekannten Provokateur der US-Literatur vor. Seit 2000 ist Scheck Juror beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb.



Dank an: goldwiege / visuelle projekte (www.goldwiege.de)