bücher.macherunterwegs in der deutschen verlagslandschaft













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Podium mit:
Heinrich von Berenberg
Berenberg Verlag, Berlin
Thierry Chervel *
Perlentaucher Medien GmbH
Daniela Seel
kookbooks, Berlin/Idstein
Michael Zöllner
Tropen Verlag, Berlin
Klaus Wagenbach
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin

Moderation:
Denis Scheck
, Deutschlandfunk, Köln

Donnerstag, 17. März 2005, 14.00 Uhr
Neue Messe, Congress Center Leipzig CCL, Mehrzweckfläche 4

Eine Veranstaltung des Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. / Leipziger Büro
in Zusammenarbeit mit der Leipziger Buchmesse

beck
© BECK

»Man probiert wieder was«
Pressestimmen

Mit den jungen, kreativen Kleinverlegern ist ein neuer Trend ausgemacht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, dass bereits im vergangenen Jahr »die meisten Impulse nicht mehr von Suhrkamp, Hanser, Rowohlt ausgingen, sondern von Neulingen wie Blumenbar«. Der Spiegel stellt fest: »Eine solche Aufbruchsstimmung gab es noch nie: eine neue Verlegergeneration, die ihren eigenen Weg gehen will.«
Doch sind die enthusiastischen, unabhängigen Kleinverleger mehr als nur die possierlichen Tierchen im angeschlagenen Literaturbetrieb, die alle lieb haben, weil keiner sie ernst nehmen muss? Fasziniert ihr Milieu gar mehr als ihre Bücher?
Jana Hensel, Die Zeit zum Artikel


© Cordula Giese

Es ist ja schon befürchtet worden, die diesjährige Leipziger Buchmesse würde unter sibirischen Bedingungen abgehalten werden müssen. Aber nun sieht es doch so aus, als könnte das Flanieren über die Frühjahrsmesse der Branche mit jahreszeitlich passenden gefühlen einhergehen... Die Stimmung scheint, nach den Jahren des Krisengezeters, gar nicht so schlecht zu sein; nicht jedoch, weil sich die Verkaufszahlen positiv entwickelt hätten, sondern wohl auch aufgrund eines gewissen Überdrusses am Jammern. Da mag es programmatisch wirken, wenn eine der wichtigen Podiumsdiskussionen unter der Frage "Gründerzeit: Independents im Aufwind?" firmiert. Die Verlagsgründer Daniela Seel (kookbooks), Heinrich von Berenberg (Berenberg Verlag) und Michael Zöllner (Tropen Verlag) diskutieren mit einigen alten Hasen des Betriebs. Man darf gespannt sein zu hören, wie die Neu-Verleger die Situation einschätzen und vor allem: welche Mittel sie (er)finden, um ihr Publikum zu erreichen. Sicher ist schon jetzt: Man probiert wieder was.
Ina Hartwig, Frankfurter Rundschau


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In Leipzig kann eine hochkarätig besetzte Runde erlebt werden zum Thema "Gründerzeit. Independents im Aufwind?". Schon dass dieses Mal der Große Wildweise Häuptling Klaus Wagenbach mit dabei ist, wäre ein Grund, parallele Veranstaltungen sausen zu lassen...
Ekkehard Faude, BuchMarkt

Der süße Duft des Großkapitals ist auch für Klaus Wagenbach einmal in seinem Leben aufgestiegen: aus einer Wiese seines Vaters im Obertaunus. Die durfte der gerade bei S. Fischer entlassene Lektor 1964 für 100 000 Mark verkaufen – damals eine hübsche Summe, womit er seinen eigenen Verlag gründen konnte. Deshalb gilt Wagenbach als Gründervater des unabhängigen Verlagswesens, und also gehört er auf einer Podiumsdiskussion namens "Gründerzeit" über junge Verlage quasi zum Stammkapital. Zumal sich seit vierzig Jahren offenbar nichts an den ökonomischen Bedingungen für Verlagsgründungen geändert hat. Denn auch die erst seit wenigen Jahren oder gar Monaten aktiven Verleger Daniela Seel (Kookbooks), Michael Zöllner (Tropen) und Heinrich von Berenberg (Berenberg) nannten mit schöner Monotonie die magische Zahl von umgerechnet 100 000 Mark, für die sie alle ihre Unternehmen auf den Weg gebracht haben. Nur Thierry Chervel wollte nicht recht mit der Sprache heraus über die Anlaufkosten seiner Internet-Feuilletonschau "Perlentaucher", aber mit den ihm kürzlich zugesagten 1,4 Millionen Euro der Bundeskulturstiftung für das englischsprachige Angebot des "Perlentauchers" war er zweifellos der Krösus auf dem Podium – auch wenn er kokettierte, von Geld nichts zu verstehen. Wagenbach konnte immerhin noch die simple Buchführung gemäß dem Hosentaschendualismus vorstellen: Rechts kommen die Gewinne rein (denn dort sitze das Kapital), und aus der linken Tasche begleicht man die Verluste. So sehen die Wunder des Jahres 2005 in einer Berufsgruppe aus, der niemand gesagt hat, wie man Kapitalist wird. Mit öffentlichen Subventionen überleben, das darf man wohl als kleine Kunst betrachten in einer Branche, die ansonsten aus winzigen Summen große Werke zu machen versteht.
Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung


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Der Grossen Freud – geballte Konzentration auf einen Mega-Seller-Titel – ist des Kleinen Leid. Jürgen Kill vom Münchner Verlag Liebeskind, der so schöne Autoren wie James Kelman oder Cecile Wajsbrot im Programm hat, hält den Markt immer noch für «extrem schwierig». Und den in diesem Frühjahr ausgerufenen Trend – hier ist er also, der versprochene Trend! – der Kleinverlagsgründungswelle, den hält er für mediengemacht, höchstens für ein «Trendchen». Diesem Trendchen huldigte immerhin die schon traditionelle Podiumsdiskussion des Börsenvereins. Daniela Seel von «kookbooks», Heinrich von Berenberg, der seinem neuen Verlag seinen eigenen Namen gegeben hat, und Michael Zöllner vom Tropen-Verlag arbeiten mit kleinstem Apparat, niedriger Titelzahl und grossem Vergnügen an der Verfertigung schöner Bücher, von denen sie überzeugt sind, dass die Welt sie braucht. Umgerechnet etwa 70 000 Franken haben sie jeweils – ein überraschender Gleichklang – als Startkapital gehabt; vom Vater, von Freunden, vom Ersparten. Und, man glaubt es nicht, auch Klaus Wagenbach, der Pate aller Kleinen und Unabhängigen, will vor 40 Jahren mit exakt derselben Summe seinen Wagenbach-Verlag gegründet haben – dem Erlös aus dem Verkauf einer Wiese, die seinem Vater gehörte. Diese mythische Summe, viel Idealismus, ein Netzwerk von Helfern undFreunden: Das genügt nicht. Die Achillesferse der Neulinge ist der Vertrieb,und hier berührte die Diskussion, ganz ungeplant, einen wunden Punkt des Buchmarktes: die aggressive Rabattpolitik der Zwischenbuchhändler. Diese sogenannten Barsortimenter verfügen über riesige Lager und einen perfekten Zuliefererservice, weshalb immer mehr Buchhandlungen sich nur noch von ihnenbeliefern lassen. Selten gefragte Titel – und das sind die der neuen Kleinenoft – führen die Zwischenhändler nicht, und für Buchhandlungen ist das dannso, als ob sie gar nicht existierten. Die von den Zwischenhändlerngeforderten Preisabschläge empfinden die Unabhängigen als direkt existenzgefährdend. Ein heisses Eisen für den Börsenverein, in dem ja allebeteiligten Parteien des Buchhandels vertreten sind.
Martin Ebel, Tagesanzeiger

Am Rande der Messe gab es wieder zwei ausgesuchte Feuilletonrunden, gleich am ersten Messetag ein von den »bücher.machern« organisiertes Podium zur »Gründerzeit« für unabhängige Kleinverlage. Die Diskussion lebte von der Präsenz des Doyen Klaus Wagenbach, dessen Sprüche sofort dutzendfach in den Buchmesseberichten der großen Zeitungen kolportiert wurden. (...) Als Intermezzo arbeitete Thierry Chervel vom Perlentaucher weiter am Mythos seiner kleinen Firma. Dass sie eigentlich »Trüffelschwein« heißen sollte, erwähnte er nur nebenbei, doch prompt wurde eine dpa-Meldung daraus. Trotz Ablenkungen wie dieser schien am Ende der Diskussion ein Konsens auf: Ziel der Kleinverlage muss sein, einen Qualitätsbegriff nach außen zu tragen, bezüglich der künstlerischen Gestaltung und Verarbeitung, des Lektorats sowie einer etwaigen Übersetzung. A propos: »Übersetzernamen aufs Cover, Lektorennamen ins Impressum!«, forderte Denis Scheck.
Frank Fischer, satt.org

"Sie sind aber mutig..." So steht es groß auf der ersten Seite des ersten Frühjahrsprogrammes des Tisch 7-Verlages. Drei literarische Titel, dazu eine Antho-logie, allesamt sorgfältig gestaltet, schick aufgemacht, keine Konfektionsware, das sieht man. So etwas fällt auf. Die Kleinen – ein despektierliches Wort. Aber die Kleinen fühlen sich ungeheuer wohl als die Kleinen. Sie wären sonst nicht zu den Stars der am gestrigen Sonntag zu Ende gegangenen Leipziger Buchmesse geworden. Sie wurden gefeiert, gehätschelt, gelobt und mitunter zootierchenhaft bestaunt, die jungen unabhängigen Verlage wie Kookbooks, Blumenbar, Tropen (acht Jahre alt immerhin). Kaum ein Terminkalender dürfte voller gewesen sein als der von Kookbooks-Verlegerin Daniela Seel. "Gründerzeit – Independents im Aufwind?", lautete dann auch der Titel einer viel beachteten Gesprächsrunde. Immerhin: Das Fragezeichen am Ende relativierte den Hype dann doch noch ein wenig. Viel Neues hatte man am Ende der Gesprächsrunde nicht erfahren. Dass man Geld braucht, um einen Verlag zu gründen, war bekannt. Dass eine Bank dieses Geld nicht gerne gibt, hatte man sich fast gedacht. Und dass die Konzernverlage und Bertelsmänner die bösen Buben des Literaturgeschäfts sind, wie Klaus Wagenbach immer wieder betont, ist ebenso polemisch wie zu kurz gegriffen. Denn nicht hauptsächlich die Konkurrenz untereinander dreht an der Finanzschraube und bringt die Kleinverlage in Schwierigkeiten, sondern, so erzählt es Daniela Seel, die wachsende Macht der Barsortimenter, die ihren Neukunden Konditionen anböten, die inakzeptabel seien. Wer das Spiel nicht mitspielt, liegt nicht nur nicht in den Buchhandlungen aus – er existiert für die Buchhändler schlichtweg nicht. Kaum gesprochen dagegen wurde über die literarische Qualität der Jungverlags-Produktionen. Vielleicht demnächst, wenn das Staunen über all die gestalterischen Einfälle und die seltene Sorgfalt, die auf die Stimmigkeit von Optik und Inhalt verwendet wird, ein wenig gewichen ist.
Christoph Schröder, Frankfurter Rundschau


© Cordula Giese

In den vergangenen Jahren sind kleine, unabhängige Verlage, die so schöne Namen wie Tisch 7, Blumenbar, Liebeskind oder Kookbooks tragen, wie die Pilze aus dem Boden geschossen. Zugleich wird im Börsenverein, dem Branchenverband, der die Interessen höchst unterschiedlicher Buchmarktteilnehmer vertritt, heftig über die Zukunft des Verlagswesens diskutiert. Wie unterschiedlich die Interessen sind, wird klar, wenn Arnulf Conradi, der kürzlich aus dem von ihm gegründeten Berlin Verlag ausgeschiedene Verleger, das Ende der Vielfalt wittert, weil zum Beispiel das Barsortiment, vor allem der Grossist Libri (Hamburg), Buchhandlungen mit dem Angebot zu ködern plant, man stelle ihnen für ihr Sortiment "Sorglos"-Pakete zusammen, erspare ihnen so die Auswahlarbeit und minimiere das Verkaufsrisiko. So etwas spielt den auf Bestsellerproduktion ausgerichteten Verlagen, und das sind oft die unterm Konzerndach, in die Hände – und die Independents (die sich lieber als unabhängige denn als Kleinverlage bezeichnen lassen) haben keine Chance mehr, ihren Fuß in die Tür und ihre Bücher ins Regal der Buchhandlung zu bekommen. Das Barsortiment nämlich, der große Lagerbetrieb mit jener überwältigenden Logistik, die dafür sorgt, dass jedes dort gelistete Buch innerhalb von einem Tag nach Bestellung in der Buchhandlung eintrifft, lässt sich seine logistische Leistung, die dem Buchhändler Lagerkosten spart, vom Verlag teuer bezahlen: "Das fängt mittlerweile bei 50 Prozent Rabatt erst an, 60 Prozent sind keine Seltenheit", berichtete Daniela Seel, die Gründerin des Berliner Kookbooks Verlags, in Leipzig; die kleinen Verlage mit ihren nicht so gewaltigen Auflagen-zahlen können da nicht mithalten. Also werden ihre Bücher in den Datenbanken von Libri oder von Koch, Neff & Volckmar (Stuttgart) nicht verzeichnet, also bekommt der Kunde in der Buchhandlung, falls er einen dort nicht zu findenden Titel bestellen möchte, die Auskunft, der müsse direkt beim Verlag bestellt werden, und das daure mindestens eine Woche, oder gar, das Buch gebe es gar nicht.
Julia Schröder, Stuttgarter Zeitung

Die Leipziger Buchmesse ist eher Familientreffen und Party: Kleine Verlagsstände, viel nettes Geplauder und abends noch mehr Lesungen. Als wollten alle Beteiligten den Eindruck von Harmonie und eitel Sonnenschein verbreiten. Dabei geht es dem Buchmarkt nicht besonders gut... Andererseits sind in den vergangenen Jahren auffällig viele neue kleine Verlage gegründet worden. Als ob es die Flaute auf dem Buchmarkt gar nicht gäbe: Der Blumenbar Verlag aus München, Tisch 7 aus Köln oder Kookbooks aus dem Taunus sind auf der Messe große Anziehungspunkte. Die mediale Aufmerksamkeit, die sie erreichen, ist dabei umgekehrt proportional zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung. Anscheinend erhoffen sich so einige Leser und Journalisten von den jungen unabhängigen Verlagen neue Seiten und einen frischen Wind zwischen all der Stapelware von Dan Brown bis Frank Schätzing oder Schirrmacher in den Buchhandlungen.
Thomas Kretzschmer, BR Zündfunk

Zu den vornehmsten Übungen eines Messeberichterstatters gehört es, Trends zu sichten. Das ist nicht immer leicht, da sich alle halben Messejahre selten wirklich Neues tut; das ist sogar richtig schwer, wenn ein Frühjahrsprogramm ein eher handelsüblich-durchschnittliches ist, so wie in diesem Jahr. Doch wird eben etwas herbeikonstruiert oder ein Trend aus der Tasche gezogen, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. In Leipzig spricht man deshalb in diesem Jahr viel über neue Verlagsgründungen – über "Independents im Aufwind", wie eine Diskussionsrunde in den Messehallen übertitelt war -, und über Verlage wie Kookbooks, Tropen, Blumenbar oder Schirmer/Graf, die verstärkt auf sich aufmerksam machen. Warum das so ist, bleibt eher unklar: Verlagsneugründungen gibt es alle Jahre wieder, und von älteren Kleinverlagen wie FVA, Mare, Kunstmann oder den Verbrechern ist momentan gar nicht mehr die Rede (auch den Tropen Verlag gibt es schon fast zehn Jahre). Doch reichen eben zwei, drei zeitgleiche Neugründungen mitsamt geschickter Öffentlichkeitsarbeit, um Trendsetter auf den Plan zu rufen. Dass diese nötig sind, ließ sich schön auf der besagten Diskussionsrunde heraushören: "Wir versuchen einen Nachfragedruck zu erreichen", sagte Michael Zöllner von Tropen und wies daraufhin, dass die wichtigsten Verbündeten eben jene Trendsetter in den Feuilletons und angeschlossenen Medien seien. Das größte Problem kleiner Verlage ist es nämlich, überhaupt mit ihren Büchern in die Buchhandlungen zu kommen oder schnelle Lieferbarkeit zu erreichen: Stichwort Vertrieb, Stichwort Barsortimente, und schnell war man so beim Niedergang des Buchhandels und der Problematik von Ketten wie Weltbild oder Jokers, die kaum 1.000 Titel im Angebot haben, geschweige denn solche von Tropen oder Blumenbar. Als weniger aufschlussreich erwies sich die Runde bei Fragen zu Programm und inhaltlichen Standortbestimmungen. Da hatte man den Eindruck, als ginge es etwa Daniela Seel von Kookbooks oder Heinrich von Berenberg mit seinem gleichnamigen Verlag ausschließlich um die Lust am Büchermachen – nicht darum, den Großen eins auszuwischen oder alles ganz, ganz anders zu machen. So übernahm nur der gute Klaus Wagenbach wieder einmal den Part des Bertelsmann-Verkloppers, schimpfte über den "Blödsinn" der Großen und ihre schlechten Bücher und analysierte, dass die Leser von den Bertelsmännern und den Buchhandelsketten betrogen würden. Klar, dass er auch sein Liebingszitat von Enzensberger zückte: Bertelsmann, das ist ein großer Verlag, aber mir fällt gerade kein Autor ein.
Gerrit Bartels, Die Tageszeitung

Auch mit knappen Eigenmitteln ist nach Ansicht kleinerer Verlage eine Neugründung möglich. «Die Absichten des Verlegers und dessen Ideen sind wesentlich wichtiger als Geld», sagte Klaus Wagenbach vom gleichnamigen Verlag. Vor vier Jahrzehnten startete er mit umgerechnet knapp 50.000 Euro. «Banken geben Kredit auf Papier, nur nicht auf bedrucktes», so seine Erfahrung. «Günter Grass hat mir damals aus der Hand gelesen und gesagt: Du wirst ein großer Verleger», sagte Wagenbach auf dem Buchmesse-Forum «Gründerzeit – Independents im Aufwind?» am Donnerstag in Leipzig.
dpa


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Gründerzeit
Sind unabhängige Verlage im Kommen?

Der Verleger will Entdecker sein. Er will helfen, neue Werte ans Licht zu fördern, neue Werte zu schaffen. Aber das setzt voraus, dass er als Liebhaber „Phantasiewerte“ abschätzen kann.
    Samuel Fischer, 1911

Wir wollen keine Askese und keinen Ja!-Kaffee. Sondern mehr Schönheit, Farbe, Phantasie. An Büchern soll es uns zuletzt mangeln.
    F.A.Z., 2004

Preußisches Prinzenpaar startet Verlagsprogramm in Berlin
    Pressemitteilung der Lardon Media AG, Januar 2005

Das Thema
Manchmal firmieren sie ganz unspektakulär unter dem Namen ihres Gründers,  manchmal – wie im Fall der frischgebackenen Verleger von „Tisch 7“  – muß der magische Ort herhalten, an dem das Projekt erdacht wurde; eine Kölner Kneipe. Hin und wieder stehen auch Romanfiguren Pate – so beim jüngst in Dresden gestarteten Verlag Voland & Quist. Gemeinsam ist ihnen die schiere Zahl: Sie werden immer mehr. Vor dem Hintergrund von lahmender Konjunktur, vielstimmigem Krisenlamento der Buchbranche und munter fortschreitender Verlagskonzentration geht eine regelrechte Gründungswelle durchs Land. Allen finsteren ökonomischen Prognosen zum Trotz ist die Zahl der ambitionierten Verlagsgründungen in Deutschland in den letzten zwei Jahren deutlich angewachsen. Belletristische Neueinsteiger wie Dörlemann, Schirmer Graf, Kookbooks oder Blumenbar, Sachbuchverlage wie die von Wolf Jobst Siedler jr. oder Heinrich von Berenberg erzielen mit wenigen Büchern große Resonanz und knüpfen in Zeiten der Konzernverlage an die Tradition kleiner Häuser an, die sich seit jeher durch die Pflege ihrer Autoren und besonderes Verleger-Engagement auszeichneten.

Riefen vor noch nicht allzulanger Zeit spektakuläre Verlagsübernahmen im Bereich der gehobenen Belletristik besorgte Feuilleton-Leitartikler auf den Plan, die das Ende des literarischen Verlags, der Verlegerpersönlichkeit alter Prägung befürchteten, ist inzwischen eine sachte Gegenbewegung spürbar geworden: Verleger, die einst die Anbindung an große Medienkonzerne gesucht hatten, kauften ihre Verlage zurück und arbeiten wieder auf eigene Faust. Was die Konzerne mit „Konzentration auf die Kernkompetenzen“ umschreiben, bedeutet für sie ein Zurück in die Freiheit. Machte noch vor kurzem das Wort von den „Verlagen ohne Verleger“ (André Schiffrin) die Runde, scheint nun die Stunde der unabhängigen, besonders der Nachwuchsverleger schlagen.

Auch auf dem Nischen-Markt für Kulturzeitschriften tut sich Ungewöhnliches – hier schossen ebenfalls in den zurückliegenden Monaten neue Blätter wie Pilze aus dem Boden: Das Spektrum reicht von Projekten wie dem unterm Dach des Axel Springer Verlags gegründeten Magazin „Der Freund“ bis zu ambitionierten Start-ups wie „Dummy“ oder „Monopol“. Die Gründe für den Boom sind vielfältig: Kreatives Potenzial, das in Zeiten der Medien-Krise nicht länger brach liegen will, das allzuoft unterschätzte Interesse des Publikums an Diskussion und geistvoller Auseinandersetzung mit Themen, die über den Tageshorizont hinausgehen. Der Wunsch einer nachwachsenden Autoren – und Verlegergeneration, nicht länger auf die Nobilitierung durch den „Betrieb“ zu warten und das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Und manchmal wohl auch das simple Bedürfnis, endlich die Bücher, die Zeitschriften zu machen, die man immer schon machen wollte. Der Charme, dies auf eigene Rechnung und eigenes Risiko zu tun, ist offenbar größer denn je. Was ist das Prinzip Selbstausbeutung gegen den Zauber der Selbständigkeit?

Erleben wir also gerade die Rückkehr der unabhängigen Verleger? Vergessen wir nicht: Sie waren nie weg! Verleger, die nicht nur Bilanzen, sondern auch Bücher lesen können, die wissen, wie man „neue Werte ans Licht“ fördert, hat es immer gegeben. Viele von jenen, die – wie Wagenbach, Rotbuch, Stroemfeld/Roter Stern oder Merve – ihren Weg in den politisch aufgeheizten, turbulenten Jahren um 1968 begannen, feiern inzwischen runde Geburtstage; die frühen neunziger Jahre brachten, nicht zuletzt dank der Wende im Osten, noch einmal einen regelrechten Gründungs-Boom. Was unterscheidet die Konzepte und Visionen der Gründer von einst von denen der heutigen Jungverleger? Viele der heutigen Gründer wissen sehr genau, was sie tun und starten hoch professionell. Businesspläne statt basisdemokratischer Diskussion, Zielgruppenanalyse statt revolutionärer Sendung. Kommt, so die bange Frage, nach den Pop-Literaten nun die Zeit der Pop-Verlage? Die Jungverleger – oft selbst Kinder der Pop-Kultur –bedienen nicht nur die Wahrnehmungs-Gewohnheiten einer mit MTV und VIVA großgewordenen Lesergeneration, sie kennen auch die Branche mit ihren Eigenheiten und Risiken, wissen die Medien für sich zu nutzen – und müssen doch auf die Entdeckungslust der Buchhändler hoffen. An der Gretchenfrage, die Klaus Wagenbach einmal formuliert hat, kommt keiner vorbei: „Wie überlebt man gute Bücher?“

 

Die Diskussionsteilnehmer    

berenberg
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Heinrich von Berenberg, geboren 1950 in Hamburg, redigierte nach den Studium zunächst Kochbücher, war dann beim Syndikat Verlag in Frankfurt und kam 1982 zum Verlag Klaus Wagenbach, für den er, mit Unterbrechungen zwanzig Jahre als Lektor arbeitete. Seit 1994 war und ist er auch für den Verlag Antje Kunstmann in München tätig. Daneben hat er aus dem Spanischen übersetzt (Bolaño, Tomeo) und zahlreiche Bücher herausgegeben. 2004 gründete er, zusammen mit seiner Frau Petra, den Berenberg Verlag, wo autobiographische und biographische Literatur,  Essays und Entdeckungen verschiedenster Art erscheinen.

 

Chervel
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Thierry Chervel *, geboren 1957, hat Musikwissenschaften studiert. Er war Redakteur bei der taz (Film, Musik, Tagesthemen), und Kulturkorrespondent für die Süddeutsche Zeitung in Paris. Mitbegründer des Perlentauchers, der am 15. März 2000 online ging und dessen englischsprachiger Dienst Signandsight dieser Tage startete.

 

seel
© Cordula Giese

Daniela Seel, geboren 1974 in Frankfurt/Main, ab 1994 Studium der Germanistik in Bayreuth und Göttingen, ab 1996 in Berlin. Abbruch des Studiums. Ausbildung zur Verlagskauffrau und mehrjährige Berufstätigkeit als Lektorin, Projektmanagerin und Assistentin der Geschäftsführung in einer Idsteiner Media-Agentur. Seel gehörte zu den Initiatoren der Literatursparte im Künstlernetzwerk kook und hat selbst als Autorin in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Im Frühjahr 2003 Gründung des eigenen Verlags kookbooks. Seel lebt in Berlin und Idstein/Ts.

 

Zöllner
© Cordula Giese

Michael Zöllner, geboren am 25. Mai 1969 im baskischen San Sebastian, kam mit fünf Jahren nach Deutschland und ist in der Nähe von Köln aufgewachsen. Nach Abitur und Zivildienst studierte er von 1990 bis 1996 Germanistik,Kunstgeschichte und Philosophie in Köln, daneben an der Düsseldorfer Kunstakademie freie Malerei und Buchgestaltung sowie Schriftentwurf in Den Haag. Seit 1992 arbeitete Zöllner als freier Hersteller für verschiedene Kunstbuchverlage. 1996 gründete er mit Christian Ruzicska und Leander Scholz den Tropen Verlag und ist seitdem als Verleger, Herausgeber und Übersetzer tätig. Einem größerem Publikum wurde er durch die Übersetzung der Romane Jonathan Lethems („Die Festung der Einsamkeit“) bekannt.

 

wagenbach
© Cordula Giese

Klaus Wagenbach, geboren 1930 in Berlin und dort aufgewachsen. Ab 1949 absolvierte er eine Lehre in den Verlagen Suhrkamp und S. Fischer; neben seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie in München und Frankfurt am Main war er Hersteller im S. Fischer Verlag. Nach der Promotion wurde Klaus Wagenbach 1957 Lektor im Modernen Buch-Club Darmstadt, ab Ende 1959 Lektor für deutsche Literatur im S. Fischer Verlag. Im Herbst 1964 gründete er in Berlin den bis heute unabhängigen Verlag Klaus Wagenbach. Seit Honorarprofessor für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche, insbesondere italienische Ehrungen.


* Die Literaturagentin Karin Graf (Literatur – und Medienagentur Graf & Graf, Berlin) mußte ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion leider kurzfristig absagen. Sie hat am 17.3. an der Beisetzung des Verlegers Karl H. Blessing teilgenommen, der am Samstag zuvor nach längerer Krankheit im Alter von nur 63 Jahren verstarb.


scheck
© Cordula Giese

Moderator Denis Scheck, geboren 1964 in Stuttgart, studierte Komparatistik, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft in Tübingen, Düsseldorf und Dallas, arbeitete als literarischer Übersetzer (Ruth Rendell, Michael Chabon, Robert Stone u. a.) und Journalist. Für seine Arbeiten zur amerikanischen Gegenwartsliteratur („Hell’s Kitchen“) und sein Lexikon über Trivialmythen made in USA („King Kong, Spock & Drella“) wurde er mit dem Kritikerpreis des deutschen Anglistentags ausgezeichnet. Denis Scheck ist heute Literaturredakteur im Deutschlandfunk, Moderator des ARD-Büchermagazins „Druckfrisch“ und Herausgeber der Mare-Bibliothek.  

 

Dank an Goldwiege und Beck.